"Wo die Freiheit wächst … Briefroman zum Widerstand der Edelweißpiraten" von Frank M. Reifenberg Reclam 9 Euro – ab 16 Jahre
1942 in Köln. Von Freiheit für die Jugendlichen kann man zu dieser Zeit kaum sprechen, aber die Edelweißpiraten wagen dann das, was möglich ist. Edelweißpiraten nannten sich Gruppen deutscher Jugendlicher, die sich durch unangepasstes Verhalten, Frisur und Kleidungsstil von denen der Hitlerjugend unterschieden und das auch wollten. Später gingen sie auch zum politischen Widerstand über. Bekannt wurden die Gruppen aus Köln und Düsseldorf.
Einer dieser Gruppen schließt sich die 16-jährige Lene in Köln an. Gerade macht sie eine Lehre beim Friseur, hält die Familie zusammen, kümmert sich um die kleineren Geschwister, sorgt sich um den großen Bruder an der Front und um den jüngeren, der der Hitlerjugend ganz und gar verfallen ist. Sie vermisst Ihre Freundinnen, die Köln schon verlassen mussten. Die Form des Briefromans lässt viele Stimmen sprechen und auch wenn so ein offener Briefwechsel wahrscheinlich nicht möglich war oder sehr riskant, gibt er den Leser*Innen doch die Möglichkeit, von vielen Situationen, Stimmungen und Alltagsszenen, Gedanken und Persönlichem dieser Zeit berührt zu werden. Und diese Briefe berühren, sind emotional zwar aufgeladen, überschreiten aber die Grenze dessen, was eine Lektüre den jungen Leser*Innen zumuten kann, nicht. Vielmehr werden sie eingebunden in die Phasen aus Trotz und Ungläubigkeit, Mut und Wissen und die Angst um das eigene Leben und das anderer.
Ein Buch für alle ab 16 Jahren, die sich mit der Zeit des NS Regimes befassen möchten, die mehr über die Jugendlichen, erfahren möchten, die sich für die Edelweißpiraten engagiert haben. Außerdem, so finde ich, eine geeignete Schullektüre in Zeiten, in denen sich manche Menschen wieder über andere stellen.
"Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung" von Barbara Yelin Reprodukt 29 Euro – ab 16 Jahre
Emmie Arbel wurde 1937 in Den Haag geboren. 1942 wir sie mit ihrer jüdischen Familie deportiert, sie überlebt die Konzentrationslager Ravensbrück und Bergen-Belsen. Eltern und Großeltern werden ermordet. Zu diesem Zeitpunkt ist sie 8 Jahre alt. Gemeinsam mit ihren Brüdern wird sie von einer niederländischen Pflegefamilie aufgenommen. Doch was nach Rettung aussieht, entpuppt sich als neuer Leidensweg für das traumatisierte Kind. Eine Kindheit und Jugend geprägt von Angst, Gewalt, Missbrauch und Sprachlosigkeit und doch hat Emmie Arbel eine Stimme gefunden, uns ihre Geschichte zu erzählen.
Barbara Yelin hat in 900 Bildern dieser Graphic-Novel so viel mit so wenig für uns festgehalten und lässt uns spüren wie sich die Vergangenheit bis in die Gegenwart schiebt, sensibel, leise und mit ganz intimen Tönen. Damit ist ihr ein Glanzstück der Erinnerung gelungen und ein außerordentliches Porträt einer starken Frau. Wenige Pinselstriche und Farben geben dieser Geschichte eine Aussagekraft, die ich nicht erwartet hätte. Ich bin beeindruckt.
Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2024 (Kategorie Sachbuch).
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